Page 66 - Wehrtechnik 01/2017
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                                                                            Herstellergrafik mit Übersicht der Sensoren der GLOBAL EYE,
                                                                            als einziges nicht genannt werden die Interferometrieantennen
                                                                            unter den Winglets an den Flügelspitzen.
                                                                            (Grafik: Saab)










                                                                  Trendsetter GLOBAL EYE
                                                                    Unter der Prämisse der erwähnten Flexibilität offeriert SAAB das System
                                                                  GLOBAL EYE sozusagen in drei Ausstattungs-Konfigurationen:
                                                                  •  Klassisches AWACS mit dem ERIEYE-ER Balken-Radar samt dessen
                                                                    Zweitfähigkeiten bezgl. See- und Landkontakte;
            Georg Mader                                           •  AWACS plus maritimer Oberflächenkontakt-Fähigkeit mittels  SELEX
            GLOBAL EYE –                                            Galileo  SeaSpray  7500E  I-Band  Radar  (8  bis  12,5  GHz)  im  Bauch-
                                                                    Radom sowie FLIR Systems Star SAFIRE 380-HD Elektro-Optischem/
                                                                    IR-Sensor unten hinter dem Bugfahrwerk;
            Mehrrollenfähigkeit bald Standard                     •  Eine der beiden Varianten plus SIGINT/ELINT mit Empfängern in einer
                                                                    Heckverkleidung sowie COMINT mittels einer Antennenfarm am Bauch
            auch bei Überwachungsflugzeugen                         der Maschine.
                                                                  Kernelement ERIEYE-ER
              Es war  der größte militärische Einzelauftrag auf der Dubai-Airshow   Hauptsensor bleibt in jedem Fall aber das vom Rumpfrücken fünffach
            2015. Für rd. $ 1,27 Mrd. schloss SAAB mit der Luftwaffe der UAE  einen   abgestrebte ERIEYE-ER (Extended Range), abstammend vom seinerzei-
            Vertrag über zwei damals SRSS (Swing Role Surveillance System) ge-  tigen Ur-ERIEYE von Ericsson. Details wie etwa die Anzahl an verfolg-
            nannte Mehrrollen-Frühwarn/Überwachungsflugzeuge mit dem   neuen   baren Kontakten werden naturgemäß zurückgehalten, aber man sollte
              ERIEYE-ER-Balkenradar, aber auf der Plattform des großen Ge schäfts-  davon ausgehen, dass das im S-Band arbeitende ER mit synthetischer
            reiseflugzeugs (Biz-Jets)  Bombardier GLOBAL-6000. Das   inzwischen   Apertur eine um rd.  70% größere Erfassungsreichweite  als der  frühere
            GLOBAL EYE genannte System leistet Luft-Luft-(Früh)Warnung, Seeüber-  Sensor hat. Dass auch dank moderner Prozessorleistung und –software
            wachung und Landzielverfolgung in einem und ist damit … so der für   bzw. der Verwendung von Gallium-Nitrit (GaN) Empfangs/Sendemodulen.
            den Auftrag verantwortliche SAAB-Manager  Sten  Söderström – „das   SAAB kommentiert das nicht, gibt aber den Horizont als Limit bzw. je nach
            leistungsfähigste Frühwarn- und Luftraumüberwachungssystem auf dem   Flughöhe bis etwa 450 km rundum an. Man weist aber auf die Fähigkeit
            Markt“.  Northrop-Grumman mit  der E-2D HAWKEYE und  Boeing mit   hin, damit auch die herausforderndsten Ziele wie Marschflugkörper, klei-
            der B737AEW WEDGETAIL gingen in den Emiraten somit leer aus. In der   ne unbemannte Flugobjekte sowie via Doppler-Verfahren schweben-
            Nachbetrachtung bzw. mit einem gewissen Abstand war der Zuschlag durch   de Hubschrauber erfassen zu können. Unterstützt wird das System mit
            Abu Dhabi aber gar nicht so überraschend. Erstens ist SAAB auf dem Sektor   Interferometrie-Antennen an den Flügelspitzen mit einer Genauigkeit von
            AWACS bzw. ISR (Intelligence, Surveillance, Recconaissance) längst kein   weniger als 1° in Azimuth, damit kann der Radarstrahl z.B. einen bestimm-
            Neuling mehr. Man hat über 20 Frühwarn- und Luftraumkontrollflugzeuge   ten Kontakt innerhalb einer Formation priorisieren. In Signalfusion mit
            auf Basis von SAAB-340 und -2000 Turboprops und EMBRAER  ERJ-145   den beiden anderen genannten Sensoren sollen auch kleinste Ziele wie
            Jets mit dem schwedisch ent wickelten Balkentyp-Radar ERIEYE an acht   U-Bootperiskope, Schlauchboote und Jet-Skies auf 100 Meilen ortbar sein.
            Länder (Brasilien, Griechenland, Mexiko, Pakistan, Schweden, Thailand,   Mit heute möglicher doppelter Signalstärke aus derselben Stromquelle
            den VAE und – unbestätigt – auch Saudi-Arabien) verkauft, ein respek-  wirbt SAAB mit einer „Wiedererlangung der Erfassungsreichweite bezgl.
            tabler Teil eines kleinen aber lukrativen Markts.     künftiger Kleinst- und Stealth-Ziele“. Zeitgemäß sei man auch „hochresis-
                                                                  tent gegen Bodeneffekt- und Störeinflüsse“.
            Trend zu kleineren Alleskönnern – mit mehr Flexibilität
              Zweitens gibt es bei potenziellen Auftragnehmern – die SAAB-Manager   Datenlinks und Selbstschutz
            berichten von etlichen solchen im Schwung des UAE-Geschäfts – stei-  Hier ist viel von kundenseitigen Wünschen abhängig, angeboten wer-
            gendes Interesse an extra auf sie zugeschnittenen Plattformen, wel-  den aber Kommunikation plus sog. Electronic Support Measures (ESM)
            che nicht nur mehrere Einsatzarten abdecken, sondern eben auch lo-  von 2-40 GHz (mit ELINT Fähigkeit), SATCOM-Antenne, Links 11/16/22
            kale Streitkräftestrukturen, verfügbare Budgets und geographische   oder nationale Verbindungen für Kommando- und Kontrollfunktionen
            Gegebenheiten besser abbilden. Oder anders: Klassische AWACS-  (C2) bzw. der Download von Sensordaten für weitere Verarbeitung durch
            Frühwarnung  und Radarführung eigener  Kampfflugzeuge, maritime   land-, see- oder luftgestützte Nutzer im Verbund. SAAB – von dort kom-
            Überwachung von Küstengewässern oder Wasserstraßen, Erkennung und   men z.B. die EUROFIGHTER-Täuschkörperwerfer – bietet zudem für das
            Identifizierung von auch kleineren Bodenzielen und sogar oben drauf noch   doch hochpreisige GLOBAL EYE ein komplettes Selbstschutz-Kit aus
            Signalaufklärung (SIGINT) – alles in einer Plattform. Dafür musste man bis-  Radarwarnempfängern, Radar- und Laser-Flugkörperannäherungswarnern
            lang Einheiten mit verschiedenen wenigen und teuren Spezialmaschinen   und IR- bzw. Radartäuschkörperwerfern (Flare und Chaff) an.
            betreiben. Möglich wurde das in den letzten Jahren durch Datenfusion
            von dank Miniaturisierung immer kleinerer Sensoren, hochentwickelter   Erstkunde bereits in Arbeit
            Signalverarbeitung, Datenlinks und SATCOM für Echtzeit-Verarbeitung   Bei Auftragserteilung waren die beiden Träger-Maschinen für die UAE
            durch Lagezentren oder andere eigene Nutzer.          noch nicht bekannt, inzwischen hat das verlässliche britische Flug-
                                                                  zeugspotter-Netzwerk die beiden Global 6000 zweifelsfrei identifiziert.
            … und geringen Kosten                                 M-ABFR (Snr. 9517) sowie M-ABFQ (Snr. 9494) waren 2012 und 2013 als
              Zudem bieten die neuen und geräumigen Biz-Jets des oberen Segments   Neubauten für Advanced Integrated Systems Ltd. (IOM) auf der Isle of
            mit langen Reichweiten in großen Höhen viel kürzere Transitzeiten in den   Man registriert worden, daher die M-Kennungen. Beide gingen nackt bereits
            Einsatzraum als Turboprops, bei gleichzeitig weit geringeren Kosten als   Anfang 2014 bzw. im April 2015 zur Systeminstallation an MARSHALL-
            der Betrieb von Plattformen die von großen Verkehrsflugzeugen abstam-  Aerospace am Flughafen Cambridge. Inzwischen sind beide bei SAAB in
            men, wie E-3 (707), 737- oder 767-AWACS oder gar Il-76. Außerdem   Linköpping in Arbeit. „Und das schafft großes Interesse, bis nach Asien“,
            ist bei Missionen von zwischen 10 und 12 Stunden der Komfort bezgl.   so SAAB CEO Håkan Buskhe im Mai. Das UAE-Vertragsvolumen bein-
            Geräuschpegel, Druckkabine und Klimaanlage angesichts der hochkon-  haltet übrigens auch die Modernisierung der beiden älteren ERIEYEs der
            zentrierten Bildschirmarbeit ein nicht zu unterschätzender Faktor.   UAE-Luftwaffe, auf Basis des Turboprops SAAB-340.  wt
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