Page 67 - Wehrtechnik 01/2017
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                                                                f  Effektoren sind ein Knackpunkt bei der Dohnen-Abwehr.
                                                                  Das System SkyWall 100 ist eines der Bekanntesten.
                                                                  (Foto: Openengeneering)
                                                                  h Einstmals High Tech, heute handelsüblich.
                                                                  Die Drohne MIKADO des Deutschen Heeres.
                                                                  (Foto: v. Krienke)








            Patrick von Krienke
            Die kleine


            Gefahr



              Kleine, ferngesteuerte Fluggeräte (UAS) gelten unter Sicherheits-  Einsatzort und die entsprechenden Startvorbereitungen sind nicht an be-
            fachleuten aktuell als eines der größten Risiken. Vor allem im urbanen   stimmte Fahrzeuge, Transportkapazitäten oder vorbereitete Startplätze
            Raum und bei Veranstaltungen sind Erkennung und Abwehr von UAS   gebunden. Viele der erhältlichen Modelle können in einer einfachen
            schwierig.                                            Reisetasche oder einem Rucksack transportiert werden und sind in weni-
              Die Europäische Kommission schätzt, dass in der EU gegenwärtig   ger als drei Minuten startbereit. „Ein modernes Klein-UAV kann praktisch
            mehr als 1,2 Mio. Unmanned Aerial Systems (UAS) in privater Hand sind.   ohne jede Vorwarnzeit überall auftauchen“, sagt der Technikjournalist und
            Etwa genauso viele der wendigen Kleinfluggeräte werden nach den euro-  Drohnen-Fachmann Jan Rähm, der sich unter anderem mit dem Einsatz
            päischen Schätzungen von Firmen und Organisationen betrieben. Der   von UAS bei Behörden und dem Militär auseinandersetzt.
            Analyst und Sicherheitsfachmann Jörg Lamprecht schätzt, dass jeden   Erschwerend kommt hinzu. Dass die UAS in der Regel wenige
            Monat weltweit etwa 400.000 der kleinen Flieger dazukommen.   Metallbauteile aufweisen und aus Plastik oder Verbundwerkstoff gefertigt
              Drohnen haben in vielen Bereichen Einzug gehalten und zum Beispiel   sind. Somit ist die Radar-Silhouette für bisher auf den Flugbetrieb spezia-
            für Landvermesser, Fernsehteams, Fotografen oder auch Naturforscher   lisierte Geräte kaum zu erkennen.
            die  Arbeit  erleichtert  und  Kosten  gesenkt.  Noch  kann  in  den   meisten   Die meisten auf dem Markt erhältlichen Systeme spezialisieren sich
              europäischen  Ländern  eine  Kleindrohne  ohne  Dokumentation  oder   daher auf das Erkennen und ggf. Unterbinden der Steuersignale der
            Erlaubnis erworben  und  auch  ohne  Führerschein  oder  Fachkundigen-  Kleinfluggeräte. Sie funken im Frequenzbereich zwischen 2,4 und 3,6 GHz
            Prüfung geflogen werden. Die gesetzlichen Bestimmungen sind mit denen   und können daher relativ einfach entdeckt werden. Dazu kommt, dass jede
            beim Drachensteigen oder dem Spiel mit motorisierten Flugzeugmodellen   Drohne eine einmalige Signatur aufweist und somit wiederholte Anflüge
            vergleichbar. Nur bei gewerblicher Nutzung oder einer Abflugmasse von   desselben Objekts sicher zugeordnet werden können. Aber auch Systeme
            mehr als fünf Kilogramm ist in Deutschland eine Genehmigung erforder-  für die optische Erkennung, basierend auf Radar-Technologie oder mit
            lich. Die Realität zeigt, dass die Vorschriften im deutschen Föderalismus   Hilfe von Lasern sind auf dem noch jungen Markt erhältlich.
            verworren sind und Verstöße nur mangelhaft kontrolliert oder geahndet
            werden.                                               Viel öffentliche Beobachtung

                                                                    Große Aufmerksamkeit erregte der Einsatz eines in England gebauten
            Gefahrenanalyse und koordiniertes Vorgehen:           Drohnenabwehr-Systems beim vorletzten Staatsbesuch von US-Präsident
            Bisher Fehlanzeige                                    Barack Obama im Frühsommer 2016 in Berlin. Die Sicherheitskräfte des
                                                                  Secret Service und die Berliner Sicherheitsbehörden hatten sich für den
              Nicht zuletzt für den zivilen und militärischen Luftverkehr gelten Drohnen   Einsatz von SkyWall 100 entschieden, da es bereits früher Bedenken beim
            als große Gefahr. „Die Sicherheit des Flugbetriebes ist durch transpor-  Anflug auf den Berliner Flughafen Tegel gab. Der Anflugweg verläuft über
            table und schwer kontrollierbare Drohnen gefährdet“, sagt Marian Kortas   größtenteils urbanes Gebiet.
            vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Ähnlich   Bei SkyWall 100 handelt es sich aber lediglich um einen Effektor. Das
              äußert sich auch das Luftfahrt Bundesamt (LBA). So kam es in den vergan-  System, welches an eine Fliegerfaust erinnert, schießt ein knapp 10x10 m
            genen zwei Jahren in London und Warschau zu gefährlichen Annährungen   großes Netz aus, welches ein UAS einfangen kann. Anschließend stürzt der
            von UAS an Passagiermaschinen, sowie im August 2016 in Mombasa   Abfangschirm einschließlich Drohne an einem Fallschirm zu Boden. Über
            zu einer Kollision mit einer im Landeanflug befindlichen Boeing 737. Bei   die Reichweite und Präzision hält sich das Britische Start-Up Unternehmen
            mindestens zwei weiteren Flugzwischenfällen untersucht die Bundesstelle   Open Works Engineering bedeckt. Werbe- und Filmmaterial zeigen das
            für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig die Rolle von fernge-  Abfangen von schwebenden Objekten in einer Entfernung von weniger als
            steuerten Flugobjekten beim Unfallgeschehen. In die Schlagzeilen ge-  100 m. Auch die Frage mit welchem Sensor beim Einsatz in Berlin gear-
            rieten im vergangenen Jahr auch die  wiederholten Drohnenflüge  über   beitet wurde, oder ob es sich lediglich um einen Show-Einsatz gehandelt
            französische Atomkraftwerke, zu denen sich später Aktivisten einer   hat, blieb bis zuletzt offen.
            Umweltschutzorganisation bekannten.                     Generell sind die Hersteller sehr einsilbig in der Herausgabe von
              Die Fachleute für Luftfahrtsicherheit bei der Bundespolizei und im   Informationen über die Counter-UAS Systeme. „Wir halten uns mit den
            Verteidigungsministerium bestätigen, dass  die Bedrohung durch zivile   Informationen über die genauen Fähigkeiten der Systeme eher zurück“,
            UAS als hoch eingeschätzt werde. Die hausinternen Analysen wolle man   sagt  Alexandra  Sokolowski von  Telespazio, einem Joint Venture von
            aber nicht veröffentlichen oder öffentlich kommentieren.  Leonardo und  Thales im  Gespräch  mit  Wehrtechnik.  Die technikaffine
                                                                  Szene schaue sehr genau im Netz und in der Presse was einzelne Systeme
            Sicheres Erkennen als erste Hürde                     leisten können. „Unsere Kunden und Interessenten haben kein Interesse
                                                                  daran, dass alle Fähigkeiten öffentlich werden“, so Sokolowski weiter.
              Handelsübliche Drohnen sind ausgesprochen klein, die meisten haben
            ein Gewicht von unter 500 gr. und überschreiten die Maße von 30x30x15   Rechtliche Bedenken
            cm nicht. Sie bewegen sich langsam und oft in Bodennähe, nicht höher als
            umliegende Bäume oder Gebäude. Das wirft gleich einen ganzen Strauß   Die rechtliche Seite ist aber nicht so einfach, wie es auf den   ersten
            an Problemen bei der Erfassung und Erkennung auf. Der Transport zum   Blick scheint. Zwar verhalten sich Nutzer, die beispielsweise eine
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