Page 50 - Wehrtechnik 01/2017
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                                                                f Der H225M hätte auch in Polen ‚landen‘ sollen, der Ankauf wurde
                                                                  jedoch 2016 von der PiS-Regierung gestoppt. Ausgang offen.
                                                                  (Foto: Airbus Helicopters)

                                                                    Zwar bekommt der NTH SEA LION mit einem maritimen Suchradar und
                                                                  einem elektrooptischen TV/IR-System und Radarwarnern eine umfang-
                                                                  reiche Sensorik für das maritime Umfeld, im Gegensatz zu anderen Nutzern
                                                                  (siehe unten) aber nicht die Vollausstattung zur U-Bootjagd. Wohl aber die
                                                                  AIS (Automatic Identification System) Funktionalität zur Unterstützung des
                                                                  maritimen Lagebildes sowie zum Eigenschutz zwei schwere MG und Chaff/
                                                                  Flare Täuschmittel. Bemerkenswert jedenfalls der Betrieb auch nach zivi-
                                                                  len Instrumentenflugregeln mit ziviler GPS-Anbindung sowie die umfang-
                                                                  reiche und bei Bedarf verschlüsselbare SAT-Kommunikationsausstattung
                                                                  mit – neben den militärischen Funkfrequenzen – auch der Abdeckung
                                                                    ziviler Luftfahrtfrequenzen, jener des Seefunks sowie des digitalen Funks
                                                                  für Behörden-, Organisationen und Sicherheitskräfte (BOS). Via UHF- und
                                                                  HF-Frequenzen wird das maritime Lagebild auf Basis von LINK11 mit den
                                                                  Schiffen eines Einsatzverbandes ausgetauscht werden können. Obligat
                                                                  auch das Decksicherungssystem für den Bordflugbetrieb mit einer sog.
                                                                  HARPUNE.
                                                                    Im bayerischen Donauwörth galt es am 8. Dezember den   ersten
            NH-Industries (Airbus 62,5%, LEONARDO 32%, FOKKER-Stork 5%)   – problemlosen – Testflug eines deutschen SEELÖWEN zu feiern.
            ist - zum Unterschied zu dessen Marineversion NFH-90 (New Frigate   Kinderkrankheiten  wie  die  Korrosionsanfälligkeit  bestimmter  Teile  seien
            Helicopter) - wie erwähnt bereits als Faktor in den EU-Korridoren an-  inzwischen ebenso abgestellt wie inzwischen nach der Auftragserteilung
            gekommen. Die  Marineversion wurde in ihren Abmessungen nach  den   noch fehlende Nachweise und Zertifizierungen nun vorliegen – so der
            Richtwerten des verfügbaren Platzes auf Fregatten gewählt. In seiner   Chef des Hersteller-Konsortiums,  Vincent  Dubrule anlässlich dieser
            klassischen Rolle sind natürlich Oberflächen-Seeziele sowie – heute wohl   Gelegenheit.
            meist getauchte – U-Boote sein Hauptgegner, beides aber wohl nur in   Dennoch verlief auch dieses Beschaffungsvorhaben nicht wirklich grad-
            Küstennähe oder in einem Radius um Flotteneinheiten herum. Große Räume   linig. Zuvor soll sich die Marine angeblich für die Beschaffung des  MH-60R
            können nur durch Langstrecken-Seepatrouillenflugzeuge abgedeckt wer-  der US-Firma Sikorsky (heute Lockheed Martin) ausgesprochen haben,
            den, aber davon gibt es in Europa noch weniger als Marinehubschrauber.   das Bieterverfahren wurde jedoch vom BMVg im Oktober 2011 aufge-
            Der NFH kann aber durch seine Avionik und Sensorik auch speziell zur   hoben. Begründung: Die erforderlichen Haushaltsmittel stünden nicht
            Seezielbekämpfung bis über den Sichthorizont hinaus ausgestattet   zur Verfügung. Im März 2013 vergab man den Auftrag dann – ohne neue
            werden. Außerdem kann er im Such- und Rettungsdienst (SAR), zum   Ausschreibung – an  Eurocopter (heute  Airbus  Helicopters). In Folge
            Personal- und Materialtransport und im Antiterror- oder Pirateneinsatz für   setzte es eine Rüge durch den Bundesrechnungshof. 2015 wurde dann
            Boardingeinsätze von Kommandoeinheiten verwendet werden.  bekannt, dass die Bundeswehr für das seetaugliche Hubschraubermodell
              Begleitet – und das schon seit über 20 Jahren – wurden übrigens beide   offenbar mehr Geld aufbringen müsse als ursprünglich geplant, und zwar
            Versionen des NH-90 in Planung, Entwicklung und Beschaffungssteuerung   um knapp € 430 Mio. auf insg. € 1,38 Mrd.. So die damalige Vorlage des
            von der NATO-Managementagentur NAHEMA  (NATO Helicopter for the   Finanzministeriums für den Haushaltsausschuss, welcher jene am 4. März
            1990s Design and Development, Productions and Logistics Management   2015 billigte. Eigentlich wollte der Bund – nach Angaben aus Dokumenten
            Agency) im französischen Aix-en-Provence. Deren Systemdivision (früher   für den Bundestag – mit der Reduktion auf 80 TTH und 40 TIGER rd.
            die Engineering-Division) beschäftigt sich heute naturgemäß mit den rein   € 200 Mio. einsparen, rechnet man jedoch mit jenen höheren Kosten für
            technischen Anteilen des Hubschraubers wie z.B. Design, Bauzustand,   die 18 Marinehubschrauber gegen, erhöht sich der Gesamtaufwand um
            technische Änderungen und Qualifizierung. Dazu werden beide Versionen   ~€ 200 Mio..
            (TTH und NFH) des NH-90 innerhalb der Division jeweils getrennt bearbei-  Aber all das könnte noch immer nicht die ganze SEELÖWEN-Geschichte
            tet. Das Aufgabenspektrum der NAHEMA wird sich aber in den nächsten   sein. Im Zuge einer angeblich nun wieder angestrebten Vollausstattung
            Jahren und nach rd. 300 ausgelieferten Maschinen beider Versionen (von   der Bundeswehr, stellte Ministerin  Dr. Ursula von der  Leyen im Ver-
            515) wandeln. Technische und logistische Betreuung während der gesam-  teidigungsausschuss des Bundestags ein Dokument vor, aus dem – laut
            ten Nutzungsdauer der beiden Hubschrauberlinien wird dann immer mehr   Medienberichten – hervorginge, dass man bis 2030 vor allem auch bei
            in den Vordergrund rücken.                            Großgerät weit über das hinaus was bislang öffentlich genannt und disku-
                                                                  tiert wurde, aufrüsten will. Bezgl. Marinehubschrauber wären nun angeblich
            Deutschlands SEA LION                                 36 NFH/NTH ‚am Radar‘ – und nicht wie im Januar 2016 behauptet – sechs
                                                                  Stück mehr als bislang geplant. Konkretes war dazu ums Jahresende nicht
              Nicht so was die deutsche Marine betrifft, dort beginnt alles erst. Im   zu erfahren. Aber angesichts der Tatsache, dass die 22 auch bereits seit
            März 2013 wurde im Zusammenhang mit der damaligen Reduzierung der   1981 für U-Bootjagd, (Bord)Transport- und Rettungseinsätze eingesetzten
            geplanten TTH Flotte festgelegt,
            dass – vorerst – 18 Stück des in
            Deutschland SEELÖWE getauften
            NTH-90 von 2019 bis 2022 beim
            MFG5 in Nordholz die 21 SEA
            KING Mk.41 ersetzen sollen, von
            denen meist nur mehr ein Drittel
            einsatzbereit ist. NTH steht hier
            als deutsche Abkürzung für Naval
            Transport Helicopter – also Marine-
            Transporthubschrauber,   basierend
            auf der französischen Version – mit
            einigen Änderungen.


                  Am 22. Dezember 2016 wurde e
               in Malta der dritte AW139 in Dienst
                 gestellt. Das Programm hat ein
              Volumen von €62 Mio., ko-finanziert
                      durch Malta und die EU.
                             (Foto: AFM)
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