Page 101 - Wehrtechnik 03/2018
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Das sondergeschützte handelsübliche Sanitätskraftfahrzeug

               Der bodengebundene Patiententransport hat in den letzten Jahren   und ist für eine schnelle anlassbezogene Verfügbarkeit von Fahrzeugen
              wieder mehr an Bedeutung gewonnen. Die Schlagzeilen beherrschte   nicht geeignet. Für den Sanitätsdienst ergab sich außerdem die
              zwar häufig der luftgestützte Patiententransport durch NH90, CH53 oder   Herausforderung, dass es für eine spezielle Sanitätsvariante bisher kei-
              auch mittels Unterstützung von Verbündeten via BLACK HAWK, aller-  nen Anbieter gibt der unabhängig vom Schutzniveau ein Fahrzeug in der
              dings stößt deren Einsatz bei schlechtem Wetter oder bei Nacht schnell   geforderten Qualität als Mietlösung zur Verfügung stellen konnte. Somit
              an seine Grenzen. Fahrzeuge hingegen sind 24/7 verfügbar und können   hat sich die Bundeswehr entschieden die sondergeschützte Mobilität in
              bei jeder Wetterlage eingesetzt werden. Darüber hinaus können diese   Zukunft durch eigenbewirtschaftete Fahrzeuge sicher zu stellen.
              durch begleitenden Einsatz bspw. bei Konvoioperationen eine soforti-
              ge Versorgung von Patienten gewährleisten. Auch im Hinblick auf die
              Refokussierung  der  Streitkräfte  auf  Landes-  und  Bündnisverteidigung   Sanitätsdienstliche Forderungen an das sdgeschhüSanFzg
              (LV/BV) rücken die bodengebundenen Rettungsmittel wieder verstärkt   •  Sanitätsausstattung für den Transport und Behandlung von einem
              in den Fokus. Hier spielt zum einen die Quantität eine Rolle, aber auch   liegenden Patienten
              Aspekte der Luftraumordnung, die bei bestimmten Operationen einen   •  Zwei-Personen-Besatzungskonzept
              Einsatz von Rettungshubschraubern nicht zulassen, machen den ver-  •  Durchführung aller notwendigen rettungsmedizinischen
              stärkten Einsatz von beweglichen Arzt- und Rettungstrupps notwendig.  Maßnahmen zur Stabilisierung des Zustandes der Patienten
               Vor dem Hintergrund von Auslandseinsätzen von niedriger bis ho-  Technische Daten
              her Intensität und jeweils wechselnden Auflagen der Gastnationen hat   •  Höchstgeschwindigkeit mindestens 90 km/h
              die Bundeswehr neben den regulären Sanitätskraftfahrzeugen eine   •  Reichweite 700 km nach DIN 70030
              Fähigkeitslücke im bodengebunden Patiententransport bei der son-  •  Handelsübliches Aussehen
              dergeschützten Mobilität erkannt. Sondergeschützte Mobilität bedeu-  •  Notlaufelemente
              tet in diesem Zusammenhang ein Fahrzeug, das von außen auf den   •  Ballistischer Schutz
              ersten Blick weder als Militärfahrzeug noch als geschütztes Fahrzeug   •  Minenschutz
              zu erkennen ist. In der Regel basieren solche Fahrzeuge auf han-
              delsüblichen  Grundmodellen,  wie  dem  Toyota  Landcruiser  200  GX
              oder dem  Mercedes-Benz G-Modell. Diese Fahrzeuge werden dann   Beschaffung über Sofortinitiativen und Regelbeschaffung
              nachträglich  durch  interne Schutzkomponenten auf  die gewünschte   Aufgrund des dringenden Bedarfs für laufende Einsätze wurden
              Schutzklasse gebracht. Zusätzlich werden die Fahrwerkskomponenten   bereits Fahrzeuge über eine „Sofortinitiative Einsatz“ beschafft. Zwei
              und Bremssysteme auf das deutlich höhere Gewicht angepasst. So ge-  von diesen Fahrzeugen wurden auch zu einer Sanitätsvariante umge-
              schützte Fahrzeuge erreichen schnell ein Leergewicht von 6 t.  rüstet. Diese Fahrzeuge haben bereits ihren hohen Einsatzwert für die
               Um  die  Fähigkeit  der  uneingeschränkten  bodengestützten sani-  Truppe im Einsatz unter Beweis stellen können. Aus diesem Grund und
              tätsdienstlichen Unterstützung für alle  Operationen im  gesamten   dem weiterhin hohen anhaltenden Bedarf für diesen Fahrzeugtyp wur-
              Aufgabenspektrum der Bundeswehr, einschließlich von verdeck-  de durch das Heer eine weitere „Sofortinitiative Einsatz“ eingebracht,
              ten Operationen sowie in Einsatzländern wie dem Nordirak zu er-  über welche 2018 weitere Fahrzeuge dieses Typs für die Einsätze der
              halten, ist neben den klassischen leichten, mittleren und schweren   Bundeswehr bereitgestellt werden. Unabhängig von den Sofortinitiativen
              Sanitätskraftfahrzeugen das oben beschriebene sondergeschützte han-  wird auch die Regelbeschaffung dieser Fahrzeuge vorangetrieben, um
              delsübliche Sanitätsfahrzeug (sdgeschhüSanFzg) als neuer Typ SanFzg   die  qualitative  und  quantitative  Ausstattung  des  Sanitätsdienstes  mit
              zu etablieren. Bisher wurde diese Fähigkeitslücke in Einsätzen durch   sondergeschützen handelsüblichen Sanitätsfahrzeugen in Zukunft zu
              Anmietung von entsprechenden Fahrzeugen von zivilen Dienstleistern   gewährleisten. Durch die Ausstattung des Sanitätsdienstes mit dem
              geschlossen.                                        sdgeschhüSanFzg wird eine weitere Fähigkeit beim landgestützten
               Die verfügbaren Fahrzeuge erfüllen die Anforderungen der Bundes-  Patiententransport für Einsätze geschaffen. Das neue Fahrzeug gewähr-
              wehr jedoch nur eingeschränkt, zudem ist der Schutz nicht bzw. nur   leistet im Systemverbund die gebotene sanitätsdienstliche Versorgung
              unzureichend nachgewiesen. Das inzwischen auf Grund der Bedro-  der Truppe bei verdeckten Einsätzen oder in Einsatzländern, in de-
              hungslage in den Einsatzgebieten erforderliche Schutzniveau wird   nen ein Operieren mit sichtbaren Militärfahrzeugen nicht möglich ist.
              nicht angeboten. Darüber hinaus wird die Anmietung geeigneter   Somit ist der hohe Standard  des Sanitätsdiensts der Bundeswehr in
              Fahrzeuge im deutschen oder europäischen Raum durch die notwen-  der Patientenversorgung in Zukunft in allen denkbaren Szenarien und
              digen  Ausfuhrgenehmigungen  für  potenzielle  Einsatzländer  erschwert   Rahmenbedingungen sichergestellt.          Hauptmann Steffen Paprott
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