Page 8 - Wehrtechnik 02/2017
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                                                                  stattgefunden. Dies wissen Akteure der Zivilgesellschaft zu nutzen.
               Rüstungsexporte bleiben                            Diese  haben  inzwischen  zwar  keine  Mehrheiten  in  der  Bevölkerung,
                                                                  verbuchen für sich aber die Meinungshoheit. So wird aus jedem
                                                                  Bericht der Bundesregierung, über jede  beantwortete Anfrage  eines
               in der Diskussion                                  Bundestagsabgeordneten zu genehmigten Rüstungsexporten ein Skandal,
                                                                  den viele Medien dankbar aufnehmen ohne die Hintergründe zu recher-
                                                                  chieren. Alles unwidersprochen von der Bundesregierung. Im Gegenteil:
                                                                  Mit ihrer „Transparenzoffensive“ beim Thema Rüstungsexporte hat die
                                                                  Bundesregierung selbst zusätzliche Anlässe geschaffen, ohne dabei eine
                                                                  sachgerechte Diskussion zu befördern oder gar selbst anzustoßen. Da
                                                                  mutet es schon recht bizarr an, wenn sich der zuständige Staatssekretär
                                                                  im Bundeswirtschaftsministerium darüber beklagt, immer öfter Kritik ein-
                                                                  stecken zu müssen, für die doch eigentlich die gesamte Bundesregierung
                                                                  verantwortlich ist. Berufsrisiko.
                                                                    Gerne lassen sich die politisch Verantwortlichen vormachen, die NGOs
                                                                  sprächen für die politische Mehrheit im Lande. Dies jedoch lässt sich durch
                                                                  nichts belegen, sprechen doch beispielsweise die Teilnahme an bundes-
                                                                  weiten Aktionstagen der Rüstungsexportgegner oder die Beteiligung an
                                                                  den jährlichen Friedensmärschen zu Ostern ein ganz andere Sprache.
                                                                    Die Scheu der Politik, auch schwierige Themen öffentlich zu erklären,
                                                                  führt zu der grotesken Situation, das Parteien, Kirchen und Organisationen
                                                                  der Zivilgesellschaft immer weitergehende Forderungen für eine restrik-
                                                                  tive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung einfordern. Dabei spielt
                                                                  es  überhaupt keine  Rolle,  ob  die  vertretenen  Positionen der verfas-
                                                                  sungsrechtlichen, gesetzlichen und verfahrensmäßigen Wirklichkeit in
                                                                  Deutschland entsprechen. Natürlich kann man politische Forderungen
                                                                  aufstellen, die dem heutigen Rechtssystem widersprechen. Dann muss
                                                                  man eben für Mehrheiten sorgen, die in letzter Konsequenz ausreichen,
                                                                  auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu ändern.
                                                                    Das jüngst abgeschlossene Konsultationsverfahren des Bundeswirt-
                                                                  schaftsministeriums (BMWi) zur „Zukunft der Rüstungsexportkontrolle“ hat
                                                                  ergeben, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine wirksame
                                                                  Rüstungsexportkontrolle keiner gesetzlichen Neuregelung bedürfen, die
                                                                  Forderung nach einem Rüstungsexportkontrollgesetz keinen Mehrwert ge-
                                                                  genüber den bestehenden ordnungsrechtlichen Bestimmungen erbringen.
              Die Politik hat es vier weitere Jahre erfolgreich verstanden, so gut   Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober 2014 in einem unmiss-
            wie keine Konsequenzen aus einer sich verändernden Außen- und   verständlichen Urteil festgestellt, dass auch bei der Genehmigung von
            Sicherheitspolitischen Lage zu ziehen. Aktuell manifestiert sich die-  Rüstungsexporten der Grundsatz der „Exekutiven Eigenverantwortung
            ser Eindruck in der Frage hinsichtlich des sog. „2%-Ziels der Nato“.   der Bundesregierung“ gilt. Politischen Überlegungen wird damit eine klare
            Einvernehmlich in der Bundesregierung beschlossen, unterschrieben vom   Absage erteilt, über Rüstungsexporte den Deutschen Bundestag entschei-
            Außenminister und der Verteidigungsministerin, offenbar in der Hoffnung,   den zu lassen. Diese „Exekutive Eigenverantwortung der Bundesregierung“
            dass niemand die Forderung erhebt, dies auch wirklich umzusetzen. Ein   ist weitgehend eben nicht justiziabel. Daraus ergibt sich, dass außen- und
            Trugschluss, wie sich nach der Wahl des neuen US-Präsidenten heraus-  sicherheitspolitische Entscheidungen nicht durch Gerichtsentscheidungen
            stellte. Anstatt aber über die Umsetzung des vereinbarten Ziels und über   ersetzt werden können. Das gilt auch für die Verbandsklage.
            die Schaffung der dazu notwendigen Voraussetzungen nachzudenken,   Desweiteren unterliegen politische Entscheidungsprozesse bei Rü-
            ist  zur Zeit noch nicht  einmal  die politische  Bereitschaft dazu erkenn-  stungs exporten im Interesse der beteiligten Regierungen, der Geheim-
            bar, was bei unseren Bündnispartnern zu Unverständnis und erheblichen   haltung. Der Schutz von entsprechenden unternehmensbezogenen Daten
            Kopfschütteln führt.                                  ist ebenfalls grundgesetzlich geschützt. Auch dies hat das Bundes-
              Zur Erinnerung: Bereits zu Beginn des Jahres 2014 hatten führende   verfassungsgericht seinerzeit bestätigt.
            deutsche Politiker mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung   Zur Genehmigungspraxis der Bundesregierung für Rüstungsexporte
            eingefordert. In der anschließenden gesellschaftspolitischen Erörterung   gehört auch die Abwägung der Lage der Menschenrechte in den Bestel ler-
            zeichnete sich hinsichtlich dieser Forderungen ein breiter Konsens ab, das   ländern. Dieses ist ausschließlich die Angelegenheit der Bundes regierung,
            Deutschland diese verteidigungspolitische Verantwortung nicht nur for-  denn nur diese ist in der Lage, sich einen umfassenden Gesamt-
            dern sollte, sondern tatsächlich auch umsetzen müsste.  überblick zu verschaffen. Sie allein verfügt dazu über die notwendigen
              Was folgte war der „Weißbuchprozess“, der im Wesentlichen regie-  Informationsmöglichkeiten.
            rungs    intern hinter verschlossenen Türen stattfand. Aber immerhin: die   Aber auch diese eindeutige Gesetzeslage hält Gegner deutscher
            Forderung nach mehr Verantwortung wurde konkreter beschrieben und   Rüstungs exporte nicht davon ab, weiter rechtswidrige Forderungen zu
            das Weißbuch als Dokument der Bundesregierung beschlossen. Eine   erheben. Wünschenswert wäre es, wenn die Politik sich hier öffentlich
            konsequente poli tische Weitererörterung des Weißbuches hinsichtlich der   mehr engagieren würde und das Feld nicht denen überlässt, die sich ver-
            Ausgestaltung von mehr verteidigungspolitischer Verantwortung findet   meintlich in der Mehrheit sehen und sich mit ihren Argumenten außerhalb
            nicht statt.                                          des geltenden Rechts bewegen. Aber die Politik schweigt dazu weiter.
              Die Bundesregierung hat 2015 ein Strategiepapier „zur Stärkung der   Leider. Bleibt abzuwarten wie die Verständigung darüber in der künftigen
            Verteidigungsindustrie in Deutschland“ beschlossen. Eine Erörterung   Bundesregierung sein wird.
            mit der Industrie dazu fand weder vor der Beschlussfassung noch bis
            heute statt. Im April 2017 ist erstmals eine Erörterung im kleinsten Kreis
            vorgesehen, zwei Jahre nach der Beschlussfassung und kurz vor der
            Bundestagswahl. Ein Schelm, wer sich dabei Böses denkt.   Georg Wilhelm Adamowitsch
              Insgesamt hat also eine öffentliche Debatte über die Ausgestaltung   Hauptgeschäftsführer
            von „mehr Verantwortung“ und die daraus folgenden Konsequenzen   Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und
            für Bundeswehr sowie die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie nicht   Verteidigungsindustrie e.V.
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